Teil 1 - Ein Löschfahrzeug quittiert spontan den Dienst
1992 kommt ein Löschgruppenfahrzeug LF16/12 nach Reichelsheim und ersetzt ein 28 Jahre altes LF8-TS. 30 Jahre leistet es wertvolle Dienste, doch dann geht die Pumpe kaputt.
"Das ist schon ein emotionaler Moment, wenn so ein Fahrzeug außer Dienst gestellt wird", sagt Alexander Hitz. "30 Jahre bin ich zusammen mit Armin Nohl viele Einsätze auf dem Fahrzeug zusammen gefahren. Meist war Armin Fahrer und Maschinist, oft saß ich als Gruppenführer vorne rechts neben ihm", erzählt der ehemalige Wehrführer und heutige Vorsitzende der Reichelsheimer Wehr weiter.
In diesem ersten Teil einer vierteiligen Serie schauen wir auf die Fahrzeughistorie des Reichelsheimer LF16/12 zurück.
Die Reichelsheimer Feuerwehrmänner Armin Nohl (links) und Alexander Hitz haben das Fahrzeug 1992 zusammen mit anderen Kameraden bei MAN in München abgeholt und sind 30 Jahre lang viele Einsätze damit gefahren.
Umbruch
Die Zeit Ende der 80er Jahre bzw. Anfang der 90er Jahre bedeutete einen Umbruch für die Reichelsheimer Feuerwehr. 1985 wurde der Grundstein für ein neues Feuerwehrhaus gelegt. Erstmals waren die Reichelsheimer in einem modernen Feuerwehrhaus und vor allen Dingen an einem einzigen Standort untergebracht. Zuvor stand das Löschfahrzeug im sogenannten 'Faselstall' an der Horloff, der Schlauchkraftgerätewagen (SKW) in der ehemaligen Tankstelle Pfaff in der Bingenheimer Straße.
Fahrzeuge überladen
Der damalige 'SKW' - ein Eigenbau auf Basis eines Mercedes-Busses - war mit Schlauchmaterial und Geräten für die technische Hilfeleistung zwischenzeitlich hoffnungslos überladen. Auch forderte ein erstmals auf Basis der gesetzlichen Vorgaben erstellter Bedarfs- und Entwicklungsplan für die Stadt Reichelsheim ein größeres Fahrzeug. Es sollte neben Geräten für die Brandbekämpfung auch gesamtstädtisch umfangreiche Ausrüstung für Rettung und die technische Hilfeleistung bereithalten. Größere und höhere Gebäude erforderten Rettungsgeräte wie eine rund 14 Meter lange tragbare Leiter oder auch ein Sprungkissen.
Vor dem LF16/12 war dieser überladene SKW das Einsatzfahrzeug für die technische Hilfeleistung.
Ein LF16/12!
Die Fahrzeugnormen sahen damals den Fahrzeugtyp LF16/12 vor. Nachdem die Wehr bereits 1985 den Antrag auf ein neues Fahrzeug gestellt hatte, wurde die Beschaffung eines LF16/12 im Juni 1991 vom Magistrat genehmigt. Es begann für die Wehr eine umfangreiche Vorplanung: Musterfahrzeuge verschiedener Hersteller wurden besichtigt und getestet, Fahrgestelle und Lieferanten wurden ausgesucht, ein Hersteller beauftragt. Die Wahl fiel damals auf einen 13,5 Tonnen-LKW von MAN mit einem 231 PS starken 6-Zylinder Turbodiesel. Den Zuschlag für den feuerwehrtechnischen Aufbau bekam die Dissener Firma Schlingmann.
Es hatte leider nicht geklappt, das neue Fahrzeug zum 100-jährigen Jubiläum der Wehr im Sommer 1992 auszuliefern und in Dienst zu stellen. Erst im März 1992 konnte das Fahrgestell bei MAN in München abgeholt und etwa einen Monat später nach Dissen zu Schlingmann überführt werden. Am 12.November 1992 wurde das fertige Fahrzeug in Dissen abgeholt. Die offizielle Einweihung des LF16/12 fand letztlich erst am 24.April 1993 statt. Die Kosten für das Fahrzeug betrugen rund 467.000 DM.
Abholung des Fahrgestelles durch eine Abordnung der Reichelsheimer Feuerwehr bei MAN in München am 12.März 1992. Der damalige Wehrführer Jörg Heidl (2.v.l.) übergibt den Fahrzeugschlüssel für die Heimfahrt an Gerätewart Armin Nohl. Mit dabei waren auch Alexander Hitz, Martin Schäfer und Hans-Richard Hitz (v.l.).
Indienststellung des neuen LF16/12 (links) am Reichelsheimer Feuerwehrhaus 1993. Rechts steht das alte Löschfahrzeug LF8-TS.
Solides Fahrzeug
Der erste Feuerwehr-LKW in Reichelsheim erforderte eine umfangreiche Ausbildung. Viele Stunden wurden Fahrer und Maschinisten auf Fahrzeug und Technik ausgebildet. Das Fahrzeug hatte sich gleich bei einem ersten großen Einsatz nach der Indienststellung bewährt. 1993 brannte die Papiersortierung des damals in Beienheim beheimateten Entsorgungsunternehmens Bertl. Der Einsatz begann in der Nacht und zog sich bis in den nächsten Tag. Durch den Lichtmast des LF16/12 konnte fast der gesamte Hof des Geländes ausgeleuchtet werden, die leistungsstarke Rosenbauer Pumpe versorgte mehrere Feuerwehren mit Wasser - der Löschwassertank pufferte die Wasserversorgung. Damals ein Novum!
Die Fahrer wurden umfangreich auf dem LF16/12 ausgebildet. Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz auf dem Winterstein wurde das Fahren im Gelände mit Allrad-, Differential- und Untersetzungsgetriebe geübt.
Pumpendefekt
Fast 30 Jahre leistete das LF16/12 gute Dienste in Reichelsheim. Sowohl das Fahrgestell als auch der feuerwehrtechnische Aufbau hatte sich bewährt und konnte über die Jahre immer wieder an geänderte Anforderungen und Ausrüstung angepasst werden. Im Mai 2022 machte dann die im Fahrzeugheck verbaute Feuerlöschkreiselpumpe Probleme. Die Untersuchung durch eine Servicefirma bestätigte die Befürchtungen der Wehr: Die Pumpe war irreparabel defekt. Ein Lager hatte sich sprichwörtlich aufgelöst, die Laufräder waren beschädigt und das Pumpengehäuse gerissen. Für diesen Pumpentyp gab es keine Ersatzteile mehr. Ein durchaus möglicher Neubau eines solchen Pumpentyps wäre bei geschätzten Kosten von über 60.000 Euro und dem alter des Fahrzeugs unwirtschaftlich gewesen.
Die Neubeschaffung des Nachfolgefahrzeuges vom Typ HLF20 war zwar schon angelaufen, aber weitem noch nicht in greifbarer Nähe. Wie sich die Reichelsheimer Wehr zwischenzeitlich beholfen hat, erzählen wir im
zweiten Teil dieser Serie.